Ein Land besingt sich …
… oder ein paar zaghafte Annäherungsversuche …
Wenn es um Heimat und Hymne geht, wird das Eis rapide dünn … so schnell ist man eingebrochen oder man fühlt sich vereinnahmt, eingekastelt oder in eine Schublade gesteckt …
Den AustralierInnen ist Nationalstolz nicht fremd. – Australia ist etwa gefühlt auf fast jedem täglichen consumer product präsent. Weil: Das Unternehmen seit xy Generationen in Familienbesitz ist oder ein garantierter Anteil von exakt … Prozent der Zutaten aus Down Under stammen … Aber es kann schon sein, dass die australischen Mandeln in Vietnam blanchiert und abgepackt wurden. Um dann hier als „Aussie-Product“ verkauft zu werden. – Genug der „bösen“ Spitzfindigkeiten …
Die australische Fahne vor dem Haus ist aus bisheriger Erfahrung sehr allgegenwärtig. In Österreich ist das hingegen eher die Ausnahme. Vielleicht, weil Bekenntnis zur Nation per Flagge in Österreich schon zur Schubladisierung führt …? Wie der Nationalfeiertag begangen werden kann, habe ich bereits am 26. Jänner beschrieben. Die damals so breit getragene und sehr positive Emotion hat mich immer wieder aufs Neue berührt. Das Lied „I am Australian“ wurde damals im Elder Park von einem Chor vorgetragen und vom Publikum tausendfach lautstark begleitet. Ein unglaublicher Ohrwurm, nicht mehr rauszubekommen …
Hymnen sollen ein Gefühl vermitteln, ein großes gemeinsames Vielfaches darstellen. Pathos ist natürlich allgegenwärtig. – Das finde ich in dieser inoffiziellen australischen Hymne sehr gelungen. Sie schließt ein, niemanden aus. Weil es etwas beschreibt, das meiner Meinung nach ganz viele Menschen berührt, das gemeinsame(!) hervorkehrt, nicht verkitscht, sondern die tragende Idee einer gemeinsamen und machbaren Zukunft beschreibt. Es erzählt von etwas, was jederzeit möglich ist. Was nur zum Umsetzen ist. „We’ll share a dream and sing with one voice. I am, you are, we are Australian.”
In Österreich ist es hingegen auf Landesebene – sehr grob und rau zusammengefügt – eine, von West nach Ost, pittoreske Romantisierung der Natur oder nicht mehr ganz zeitgemäßer Handwerksberufe. Zitiert wird der „harz’ge Tannenduft“, das Hohelied auf „den guten Kaiser Franz“, die „nervige Hand“, die „Sunn, die mi trickert“, die „Wogen deiner Felder, wir dir ganz gehören“. Anderswo springen „Gemsen keck von der Felswand“ oder die „Fluten des Draustrom“ ziehen rasch dahin. Es kann auch mitunter martialisch klingen: „gestählt in hartem Streit zu Treue, Fleiß und Redlichkeit“ – Allein Wien versteckt sich inoffiziell hinter dem Donauwalzer, weil es keine offizielle Hymne gibt … In Österreich regte die IG Autoren im Frühjahr 2023 eine Neufassung der Landeshymnen an, weil deren Urheber in unzulässiger Nähe zu kriegsverherrlichender oder NS-Ideologie stünden. Die offizielle Replik kam postwendend und ablehnend. – Anders gedacht: Sollte es bei Landeshymnen auch um eine Proklamation dessen gehen, was künftig gewollt ist?
Mir gefällt die proaktive, zukunftsorientierte Sicht der inoffiziellen Hymne in Australien sehr gut. Das eingängige Bekenntnis zur Vielfalt, die einschließt und niemanden ausschließt, zu einer sehr breiten Vergangenheit beeindruckt ungemein! Dieses Schmalz schmeckt … Natürlich darf das berühmte Volkslied Waltzing Matilda hier nicht fehlen, es ist ja tatsächlich in engerer Auswahl für die Nationalhymne gestanden.
We are one, but we are many
And from all the lands on earth we come
We’ll share a dream and sing with one voice
I am, you are, we are Australian
P.S.
Die offizielle Nationalhymne von Australien ist natürlich „Advance Australia Fair“. Die als Abschluss am Austrlia Day auch festlich gesungen wurde. Da blieb niemand am Rasen sitzen, alle erhoben sich.
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